Geschichte des Heinertalent

Angeregt durch eine Fernsehsendung über Tauschringe trafen sich im Oktober 1996 einige Bewohner aus dem Johannesviertel, sahen gemeinsam den Film noch einmal und gründeten noch am selben Abend den Vorläufer des ersten Darmstädter Tauschrings.

Jeder Mensch besitzt Talente, und fast jeder setzt sie gerne für andere ein. Helfer und Hilfsbedürftige müssen nur voneinander wissen. Einfache Regeln, keine Vereinsgründung und demokratische Strukturen, das waren wichtige Vereinbarungen in der Gründungsphase. Es wurden Kontakte zu bereits bestehenden Tauschringen geknüpft, insbesondere in den Hochschwarzwald, wo sehr erfolgreich Tauschringe nach dem Prinzip der Nachbarschaftshilfe existierten. Zur selben Zeit wollte eine Bewohnerin aus Dieburg dort ebenfalls einen Tauschring ins Leben rufen und so gingen wir die Schritte zur Tauschringgründung damals gemeinsam.

Im April 1997 wurde der Tauschring Heinertalent-Experiment mit 16 Mitgliedern in Darmstadt gegründet.
Zum Namen

Die Heiner, damit sind die Darmstädter beiderlei Geschlechts gemeint.
Talent, das ist das, was jeder Heiner mitbringt.
Experiment bedeutet ausprobieren, verändern, etwas wagen.

Wer sind wir?

Wir sind Frauen und Männer, die sich im Rahmen einer etwas weiter gefassten Nachbarschaft helfen wollen. Dazu haben wir uns in einem Tauschring, dem Heinertalent-Experiment, zusammengeschlossen. Viele von uns waren schon in anderen sozialpolitischen Gruppierungen engagiert oder kommen aus der Bürgerrechtsbewegung, der Umweltschutzbewegung oder der Friedensbewegung.

In der heutigen Zeit leben wir alle nicht mehr in einer Großfamilie. Dort konnten sich die einzelnen Familienmitglieder gegenseitig helfen. Heute leben viele Menschen ganz allein. Andere wohnen in einer Kleinfamilie, weit von den eigenen Verwandten entfernt. Viele leben auch nicht mehr in ihrem Geburtsort, sie sind „zugezogen“. Das Zusammenleben ist anonymer geworden. Wir wollen mit dem Tauschring ermöglichen, auch bisher unbekannte Menschen um Hilfe zu bitten. Und wir wollen Mut machen, in dem wir Hilfe und unsere Talente anderen anbieten.

Zum Prinzip

Bei der Gründung des Tauschrings haben sich die Mitglieder darauf verständigt, dass alle Arbeit, die als Geben und Nehmen getauscht wird, gleichwertig ist, d.h. dass zum Beispiel eine Stunde bügeln genauso wertvoll ist, wie eine Stunde Arbeit am Computer. Das Prinzip ist die bargeldlose Nachbarschaftshilfe. Diese Hilfe ist unterhalb von Aufträgen für Fachleute angesiedelt und schließt somit eine Lücke, die durch gesellschaftlichen Wandel entstanden ist.

Die Ziele

Erleichtert allen die Möglichkeit, selbst Hilfe in Anspruch zu nehmen …. schafft neue persönliche Kontakte … da erfahren Menschen Bestätigung durch ihre Arbeit, denen die Marktwirtschaft nur noch das Abstellgleis zuweist … da werden wertvolle Dienstleistungen erbracht, ohne einen Euro bezahlen zu müssen … da werden brachliegende Fähigkeiten genutzt … da wird das Miteinander gestärkt und es entsteht das gute Gefühl, anderen mit einer konkreten Tat zu helfen.

1998 gab es eine zweite Tauschringinitiative, das „Soziale Netzwerk Martinsviertel“ das von Studierenden der Evangelischen Fachhochschule Darmstadt ins Leben gerufen worden ist und von der Michaelsgemeinde, der Martinsgemeinde und von St. Elisabeth getragen wurde. Gefeiert wurde damals im „Schwan“ in Arheilgen, zusammen mit Tauschring-Mitgliedern aus Frankfurt Fechenheim „Für einander da sein – ADSUM, Generationen füreinander Oberursel e.V. Interaktiv, Bürgerinitiative Dreieich Die UHUS und der Nachbarschaftshilfe Dieburg. Nach einem Jahr hatten sich bereits 80 Mitglieder im Heinertalent-Experiment zusammengeschlossen und praktischer Erfahrungsaustausch war gewünscht.

Im Sommer 1998 wurde ein regelmäßig stattfindender Stammtisch in Darmstadt eingeführt, damit auch das Gesellige nicht zu kurz kommt.

Anfang 1999 wurde engagiert und zum Teil auch verbissen um alte und neue Ziele des Tauschrings diskutiert, zum Beispiel, ob künftig neben den Dienstleistungen auch Sachmittel zum Tauschen zugelassen werden sollen. Dies wurde mehrheitlich abgelehnt. In diesem Jahr wurde das Abrechnungswesen der Tauschpunkte wesentlich verbessert, sowie auch das Aussehen der Marktzeitung. Der Aktivspielplatz Herrngarten wurde Mitglied im Heinertalent-Experiment und seitdem pflegen wir eine fruchtbare Kooperation.

Im Februar spaltete sich ein Teil des Heinertalent-Experiments ab und es wurde ein dritter Tauschring, die „Talentbörse“ gegründet. Das Soziale Netzwerk Martinsviertel konnte nicht aufrechterhalten werden; neue Tauschringe entstanden in Kranichstein und in Arheilgen.

Heute gibt es diesen ersten Darmstädter Tauschring immer noch mit ca. 80 Mitgliedern. Es gab über die Jahre hinweg immer wieder Mitglieder, die den Tauschring aus unterschiedlichen Gründen verlassen haben. Es gab immer wieder Interessierte, die hinzugekommen sind. Insgesamt haben bis jetzt über 200 Menschen das Heinertalent-Experiment kennen gelernt. Es gibt eine Marktzeitung, die alle zwei Monate erscheint; es gibt Stammtische, Wanderungen und Spaziergänge, Radtouren und Feste.
Fünf Mitglieder bilden die so genannte „Kerngruppe“, die für ein Jahr die Organisation, Verwaltung und Öffentlichkeitsarbeit übernimmt. Jedes Jahr wird die Kerngruppe von den Mitgliedern neu gewählt.

Ausblick

Wie das so ist bei Experimenten, so ist auch dieses nicht abgeschlossen. Die Leistungen sind im Einzelfall oft von großem Wert für die Mitglieder und sie sind damit ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Lebensführung Einzelner. Zuverlässigkeit, verbindliche Absprachen, die richtige Selbsteinschätzung und Entscheidungsfähigkeit sind Talente, die die Tauschringmitglieder brauchen. Selbst verantwortlich sein, eine neue Form von freiwilligem sozialem Engagement und die Freude am Tauschen werden den Tauschring sicher noch lange beleben.